Mittwoch, 11. Mai 2011

Im Altersheim ist man nie allein.

Diese Alten Säcke, diese ganzen Alten und Säcke, die ich Tag für Tag, Woche für Woche, vielleicht auch noch Monat für Monat pflegen muss. Meine Arbeit ist nicht die Schönste, aber gesellschaftlich bzw. pseudomoralisch gewollt.  In Wirklichkeit wissen die ganzen Normalen doch, dass so ein demenzkrankes oder auch im Koma verbringendes Leben nichts mehr wert sein kann, rein gar nichts, denke ich, als ich mir meine fettige Haarsträhne aus dem faltigen Gesicht streife, sie um meinen Finger zwirbel und diesen gleich danach in meine Nase bohre. 
Auch wenn sich niemand mehr um sie kümmert, ich bin für sie da, meine Schätze, meine Menschen, meine Opfer. Die Angehörigen wissen von mir kaum was, nehmen mich zudem bei einem Besuch kaum war, dafür werde ich auch nicht bezahlt. Offizielle Sachen regelt die Oberkrankenschwester und wir Altenpfleger verstecken uns in unserm kleinem Kämmerchen, indem wir unsere sogenannten Pausen verbringen, die wirklich keine sind. Diese Arbeit, Beruf oder auch diese Lebensaufgabe verlangt mir ziemlich viel ab. Ich nehme die Last von ihnen auf mich und kümmere mich um meine Schätze. Potenzielle Leiche wenden, waschen, Windeln wechseln. Fingernägel pfeilen, Haare schneiden, weilen. Weilen? Dafür hab' ich kaum Zeit, spüre ich, während ich das Bett des Menschen neu beziehe, der im selben Augenblick irgendwo von den Zivi's herumgeschoben wird. Vielleicht verarschen sie ihn auch ein bisschen, er kann ja sowieso nichts dagegen machen und bei wem sollte er sich mal ehrlich beschweren? 
Auf ins nächste Zimmer, mein Lieblingsopfer, mein Liebling. Von ihm ist nichts bekannt, keine Angehörigen, keine Verwandten, kein oller Pfaffe, der sich mal nach ihm erkundigt. Ich muss schmunzeln. Finde es schon sehr witzig, wie arm so eine Kreatur dran sein kann, aber ich bin ja da. Und werde auch weiterhin da sein, bis uns der Tod scheidet. Wie er da so liegt, habe ich das Bedürfnis mit meinen länglich vergilbten Hexenkrallen ihm sein Doppelkinn zu kraulen und kraule ihm mit meinen länglich vergilbten Hexenkrallen auch dieses. Er zuckt mit seinem Kopf, schließt und öffnet seine Augen permanent, als wolle er mich auffordern weiterzumachen, weiterzugehen. Zufälligerweise, doch nicht ganz so zufällig, habe ich  Viagra in Pulverform dabei, um meinen Lustsklaven einen gefallen zu tun. Von alleine wird er da unten nicht mehr hart, stellte ich fest, als ich meine graziöse Figur an ihm rieb. Die Kochsalzlösung hängt da so unschuldig und rettet ihm wahrscheinlich auf lange Sicht auch das Leben, ein Grund mehr es etwas aufzupeppen, denke ich, also streusel ich ein wenig Glücksstaub in die Flüssigkeit. Über seine alten, wahrscheinlich auch verrunzelten, Arterien und Venen verteilt sich der Stoff noch schneller und das Bettlaken erhebt sich, wie ein Indianertipi. Ich grinse mein Schatz, meinen Menschen, mein Opfer so glücklich an und zwinker dabei, dass er in Ohnmacht fällt. Egal, Medikamente funktionieren auch in Abwesendheit. 
Auch wenn es scheint alleine zu sein - im Altersheim ist man nie allein.